Mode 1920 - 1921
Zu Anfang der 1920er Jahre ändert sich an der Nachkriegsmode nur wenig. Jedoch werden bis 1921 die Rocksäume noch kürzer und enden nun fast auf der Wade. Dagegen werden die Röcke zum Saum hin noch schmaler geschnitten. Auch die 1919 noch sehr hoch angesetzte Taille beginnt langsam hinunter in Richtung der natürlichen Taille zu rutschen. Die Taillierung lockert sich und ist nicht mehr ganz so eng. Überhaupt sind die Kleider sehr weit und lose geschnitten.
Die besondere Betonung der Hüftpartie bleibt dagegen bestehen und einige Röcke werden mit Hilfe von Kaskaden ähnlichen Stoffdrapierungen oder auch zusätzlichen Stoffpanelen an der Hüfte so drapiert, dass ein Panier-Effekt (Reifrock-Effekt) entsteht. Jedoch ist ein hervorheben der Brust nicht die Intention der derzeitigen Mode; eine flache Brust wird bevorzugt.
Sommerkleid 1920
Besonders ansehnliche und zarte Frühjahr- und Sommerkleider aus Seiden und Kreppstoffen werden gerne mit grobmaschigen Netzstoffen kombiniert. Auch für Blusen findet der Netzstoff Verwendung.
Der Ausschnitt ist bei Tageskleidern mäßig weit und gibt nur den Blick auf den Ansatz des Brustbeins frei. Meist rund, ist der Ausschnitt oft auch quadratisch geschnitten. Ausladende Krägen, die in den letzten Jahren so große Mode waren, werden vorrangig bei feinen und leichten Sommerkleidern noch gern getragen, werden aber bei den normalen Tageskleidern zunehmend rar.
Feinste Stickereien geben besondere Note
Vor allem bei den feineren und erleseneren Kostümen, Blusen und Kleidern für Tag und Nachmittag wird besonderer Wert auf aufwändige Stickereien gelegt, die bevorzugt aus Seide oder auch aus Perlen kreiert werden. Hierbei ist auf die farbliche Abstimmung der Stickereien zu achten, um einen harmonischen Effekt zu erzielen. Zumeist sind diese Stickereien an den Röcken, der Brust oder auch am Brustausschnitt zu finden
Blusen zeigen ideenreiche Abwechslung
Die Blusen der Saison versprechen eine schier unerschöpfliche Vielfalt und sind an der natürlichen Taille tailliert. Der runde Ausschnitt wird für die meisten Blusen bevorzugt. Ebenso sind V-förmige und quadratische Ausschnitte nicht selten, diese sind aber eher den geschneiderten Blusen vorbehalten. Blusenkragen variieren von einfachen Spitzenbordüren und Krausen bis hin zu großen Matrosenkragen. Viele Blusen verzichten aber auch gänzlich auf einen Kragen.
Vornehmlich im Sommer variieren die Ärmellängen zwischen ellenbogenlang und lang. Die Ärmelaufschläge sind mal glockenförmig, mal mit Blenden oder Spitze versehen oder eng anliegend mit Manschetten. Reiche Seidenstickereien befinden sich vornehmlich an der Taille.
Kasacks - lange Blusen mit Schoß - sind für sportliche Aktivitäten, Freizeit und ungezwungene Anlässe gebräuchlich und werden mit einem Band oder einem Gürtel, der dem Material des Kasacks entspricht, an der Taille gebunden getragen.
Abendmode erfährt Renaissance
Mit dem Ende des Krieges und der Überwindung der gröbsten Kriegsauswirkungen, wie der Stoffrationierung und der damit verbundenen allmählichen wirtschaftlichen Normalisierung, ist der Wunsch nach Zerstreuung und Amüsement größer als je zuvor. So bemerkt das österreichische Modeheft Record in der November Ausgabe 1921:
„Eine wahre Tanzwut hat die Welt befallen, ein Vergnügen jagt das andere, Theater und Nachtlokale sind überfüllt, es ist der große Triumph der Abendtoilette."
Somit tritt die große Abendtoilette wieder voll in die ihr zustehenden Rechte. Teure Stoffe von verführerischer Eleganz wie schwerer Metallbrokat, exotisch gemusterte Seidenstoffe, schimmernder Perlentüll, Changeanttaffete und Samte finden Verwendung und versuchen scheinbar so die Bedürfnisse nach Luxus und Glanz nachzuholen, denen man in der kargen Kriegszeit schmerzlich entbehren musste.
Das Stilkleid mit weit ausgestelltem Rock nimmt eine hohe Position in der aktuellen Abendmode ein. Die Macharten und Aufmachungen der Kleider erinnern mal an das Mittelalter, dann wieder an eine neue Prinzessfasson oder auch an Bauerntrachten. Schärpen und Schleppen geben den Abendtoiletten etwas flatterhaftes und lebendiges. Der Ausschnitt ist einseitig gehalten, allerdings darf hier - im Gegensatz zur Tagesmode - auch Schulter gezeigt werden.
Mäntel in überweitem Schnitt
Die Mäntel folgen in ihrem weiten Schnitt den Kleidern, wobei sie oftmals so großzügig geschnitten sind, dass sich die Trägerin fast im Mantel zu verlieren scheint. In die Rückenpartie der Mäntel werden häufig Falten mit eingearbeitet, die einen panelartigen Effekt erzielen. Die Kragen neigen zu einer so übermäßigen Stofffülle und Weite, dass man schon eher von Capes sprechen kann, welche die Schultern und Oberarme gern überlappen und durch ihre Bauschigkeit einen Schal überflüssig machen. Ähnlich den Kragen sind auch die Ärmelaufschläge übergroß gestaltet, um dem optischen Gesamteindruck zu entsprechen. Große Taschen und modische Knöpfe vervollkommnen das Bild.
Die meisten Mäntel entsprechen in ihrer Länge dem der Kleider. Aber auch kürzere Mäntel, dreiviertellange Mäntel und Jacken sind weiterhin sehr beliebt. Die verarbeiteten Mantelstoffe der Wintersaison 1920/21 reichen von Pelzstoffen, über Plüsch bis hin zu weichen Wollstoffen wie Velours, Polo und Polo-Velourstoffen. Obwohl Brauntöne die Mantelmode dominieren, kann man auch schwarze, dunkelblaue oder sogar burgunderrote Mäntel auf den Straßen ausmachen.
In der Wintersaison 1921/22 verlieren die Mäntel zunehmend an Form und fallen gerade, aber Falten werfend, von der Schulter bis zum Saum ohne große Taillenbetonung. Kleiderlange Mäntel haben sich durchgesetzt.
Pelz fester Bestandteil der Wintermode
Unverzichtbar und begehrt bei Frauen aller Schichten sind Mäntel mit Pelz verbrämtem Kragen, Cape oder Saum. Wer es sich leisten kann trägt gleich einen Pelzmantel aus Maulwurfs-, Robben- oder Wolfspelz. So findet sich z.B. Herbst/Winter Katalog der Firma Montgomery Ward von 1920/21 ein Pelzmantel aus Hudson Robbenfell für exorbitante 595,00 $ (über 7.000 $ nach heutigem Wert). Umso exotischer der Pelz, desto teurer und begehrter ist er. Aber auch günstige Pelzimitate gaukeln Wohlstand vor. Die elegante Dame trägt im Winter Handschuhe aus Lammleder und um die Hände warm zu halten auch einen Pelzmuff. Diese gibt auch für die kleine Dame.
Schnürstiefel für den Winter
Noch dominieren im Winter hochgeschlossene, sehr spitz zulaufende Schnürstiefel die Mode. Die Absätze haben entweder niedrige Militärabsätze oder etwas höhere, geschwungene Louis XIV Absätze. Die favorisierten Farben für Seidenstrümpfe sind schwarz, braun, grau oder weiß, die mit der Schuhfarbe korrespondieren.