Mode 1933

Kostüm aus Djalap (Wollstoff) mit flotter getupfter Bluse aus Seide. Foto: Joel Feder, New York City Modenschau Heft Nr. 242, Februar 1933, S. 5
Die neue New Deal Politik verspricht bessere Zeiten. Kleider für verschiedene Anlässe National Bellas Hess Inc. Herbst/Winter 1933, S. 2
Nachmittagskleider aus Samt, Crêpe Hammerschlag und Crêpe Marocain sowie ein Besuchskleid aus Flamisol Modenschau Heft Nr. 242, Februar 1933, S. 28a
Herbst- und Übergangsmäntel aus Wollbouclé, kariertem Wollstoff, Afghalaine und Flauschstoff mit Steppereien, Biesen, auffälligen Ärmelstulpen und schulterbreiten Kragen Modenschau Heft Nr. 249, September 1933, S. 24a
Abendkleider mit verschiedenartig verbreiteter Schulterlinie aus Satin Krepp, Flamisol, Mattkrepp und Borkenkrepp — Modenschau Nr. 251, November 1933
Sommerliche Damenschuhe aus luftdurchlässigem Maschengewebe oder Leder mit Perforationen — Chicago Mail Order Co., Frühjahr/Sommer 1933, S. 148
Korsetts bzw. Korseletts aus elastischen Materialien für natürliche Kurven National Bellas Hess Inc. Frühjahr/Sommer 1933, S. 45

Strenge und Biederkeit sind in der Mode des Jahres 1933 eine unbestreitbare Tatsache. Die weiche und feminine Silhouette der frühen 30er Jahre ist allmählich passé. Sie wird verdrängt von betont kantigen und breiten Schultern, Puffärmeln in allen möglichen Variationen, sehr engen und hohen Taillen und sehr kleinen, auf der einen Seite halb ins Gesicht gezogenen, Hüten, Baretts und Turbanen.

Puffärmel dominieren Mode

In der Tagesmode treten alle möglichen Formen von Puffärmeln auf und man findet gefallen an der neuen ungewöhnlichen Silhouette. So orientiert sich die aktuelle Damenmode an der Mode der Großmütter der viktorianisch und wilhelminisch geprägten 1890er Jahre und macht daraus auch keinen Hehl. Kleider ohne Ärmel- oder besondere Schulterbetonung, wie beispielsweise bei dem Trotteurkleid, das zur Grundausstattung der bequemen, städtischen Damengarderobe gehört, sind eher die Ausnahme.

Die allgemeine modische Line des Jahres 1933 ist weiterhin äußerst schlank mit hoher, enger Taillierung. Bei den Röcken werden nun eher gerade abfallende Formen mit mäßiger Weite favorisiert, anstatt glockiger, Falten werfender Röcke, welche in den letzen Jahren so beliebt waren. Zum Saum hin glockig erweiterte Röcke sind den Nachmittags- und eleganten Tageskleidern vorbehalten. Die Länge des Rocksaumes variiert zwischen knöchellangen Nachmittagskleidern und wadenlangen Straßenkleidern.

Sportkleider für den Sommer sind aus einfarbigen Stoffen wie Leinen, Shantung, Pikee, Waschseide oder Vistra-Côtelé. Bei duftigen Sommerkleidern aus Seide oder Rayon wetteifern farbenprächtige Blumendesigns, Streifen oder Karos um die Gunst der Trägerin. Natürlich dürfen auch hier kurz gehaltene Puffärmelchen oder Volants nicht fehlen.

Damenmäntel in neuer Fasson

In der Frühjahrssaison zeigen sich auch bei den Mänteln neue ungewöhnliche Formen. So präsentieren amerikanische Versandhäuser wie Chicago Mail Order Co., National Bellas Hess oder Sears Mäntel mit überbreiten, spitz zulaufendem Direktoire Revers, breiten Capes, Kutscherkrägen oder grotesken Puffärmeln. Der ungewöhnlichste Ärmelstil ist, neben dem mittelalterlich wirkenden Keulenärmel, der Laternenärmel mit spitz zulaufenden Fächern. Eine Neuheit stellt auch das auf zwei Arten tragbare Revers dar: entweder kann es auf die übliche Weise offen getragen werden oder man kann es umschlagen und an der Schulter zuknöpfen. Besonders apart ist es, den Schal oder das Halstuch zur Schleife zu drapieren. Umhänge erleben ein kurzzeitiges Revival.

Abendmode 1933

In der Abendmode 1933 offenbart sich die schlanke Line der Mode mit ihrer sehr engen Taille, der betont vollen Hüfte und der V-artig verbreiterten Schulterpartie. Bei sommerlichen, ärmellosen Abendkleidern sieht man oft abstehende Schultervolants oder Capes, während die Abendtoiletten der Wintersaison vermehrt kleine Puff- und Rüschenarmelchen aufweisen. Auch Capes - mit oder ohne Pelzverbrämung -, Boleros und Jäckchen unterstreichen die Breite der Schulterpartie.

Löckchen und elegante Wellen

Gerade für abendliche Anlässe entwickeln sich in der Haarmode auch neue, aufwendige und verspielte Frisuren. Während sich Wasserwellen tagsüber noch immer großer Beliebtheit erfreuen, schlagen viele Coiffeure für den Abend weich gelegte Wellen und kunstvoll angeordnete Löckchen vor. Das Deckhaar wird zumeist seitlich gescheitelt und glatt oder in sanften Wellen in Richtung der Ohren gelegt. Das Deckhaar endet in kleinen Löckchen, die - wie die Gischt des Meeres - im Nacken und über den Ohren ihren krönenden Abschluss finden. Bei manchen Varianten wird auch das längere Nackenhaar hochgekämmt und endet wie das Deckhaar in Locken. Kurze Löckchen können in die Stirn fallen die sonst immer frei bleibt, während die Ohren immer von der Frisur bedeckt sind. Auch Chignons können effektvoll miteingebunden werden.

Marlene Dietrich erregt Aufsehen

Für Aufsehen sorgt Marlene Dietrich 1933 mit dem Tragen von Männeranzügen in der Öffentlichkeit. Bereits 1930 trat sie im Film Marokko als Entertainerin im schwarzen Smoking und Zylinder auf. Und auch in ihrem neuesten Film Blonde Venus vom letzten Jahr tritt sie in einem weißen, mit Brillianten verzierten Frack vor die Kamera. Des Öfteren sieht man sie nun in den Straßen von Los Angeles oder auf dem Weg zum nächsten Dreh in Hollywood in einem für sie maßgeschneiderten Herrenanzug, mit Krawatte, Hemd und passendem Mantel. Der Autorin Rosalind Shaffer gab sie für die April Ausgabe des US Filmmagazins Motion Picture unter der Überschrift „Marlene Dietrich Tells Why She Wears Men’s Clothes!” (dt. „Marlene Dietrich erklärt warum sie Männerkleidung trägt!”) ein Interview:

„Ich bevorzuge ernsthaft Männerkleidung — ich trage sie nicht, um Aufsehen zu erregen … Ich denke, ich erscheine in dieser Kleidung viel reizvoller. … Solche Kleidung zu tragen, gibt auch ein Gefühl von vollkommener Freiheit und Bequemlichkeit. […] Frauenkleider brauchen zu viel Zeit — es ist anstrengend, sie auszuwählen und zu kaufen. Männerkleider ändern sich nicht; ich kann sie tragen, solange ich will. … Ich hoffe nur, dass andere Frauen sie auch probieren und den gleichen Komfort empfinden, den ich in ihnen genieße, frei von allen Zwängen der herkömmlichen Frauenkleidung.“1

Mütterliches Idealbild

Das Bild der Frau und ihr Ideal haben sich in den letzten Jahren dramatisch gewandelt. Wurde Mitte der 20er Jahre noch die knabenhaft geformte und jugendlich kindliche Frau in allen Magazinen und Katalogen präsentiert, so ist der jetzige Frauentypus durch und durch weiblich geformt und im damenhaften, mittleren Alter - ja schon fast mütterlich.

Mode & Nationalsozialismus

So ist es kaum verwunderlich, dass das aktuelle Frauenbild von den Nationalsozialisten, die seit dem 30. Januar die neue Regierung im Deutschen Reich bilden, sehr begrüßt wird und somit auch in das Weltbild der nationalsozialistischen Bewegung passt. Die deutsche Mode- und Bekleidungsindustrie, die noch zu einem bedeutenden Teil von jüdischen Familien und Modeschöpfern geleitet und beeinflusst wird, ist 1933 noch relativ unberührt von den politischen Veränderungen im Reich.

Mit der Gründung des Berliner Modeamtes und weiterer Modeinstitute im Deutschen Reich soll nun versucht werden, Einfluss auf die modische Entwicklung zu nehmen. Ziel soll es sein die deutsche Mode von ausländischen - und damit vor allem von französischen - Einflüssen und Modellen zu befreien und eine eigenständige deutsche Mode heraus zu kristallisieren.

Die Gleichschaltung von öffentlicher Verwaltung, Vereinen, Organisationen und Gesellschaft macht natürlich auch vor den Medien und den Redaktionen der deutschen Zeitschriften, wie der Elegante Welt, Die Dame oder auch der Modenschau nicht halt. Ganz im Gegenteil werden die deutschen Zeitschriftenredaktionen ganz gezielt als Stimme der öffentlichen Meinung auf die neue Linie gebracht.

Schon wenige Monate nach der Machübernahme der Nationalsozialisten ändern sich die Sichtweise und auch der Wortschatz der Autoren. Wörter wie „Rasse“ und „Blutmischung“ fließen als neue Begriffe in das Vokabular mit ein und werden auch in Verbindung mit der Mode gebracht. Besonders gern wird im Zusammenhang mit deutschen Trachten auf die deutsche Herkunft und das rein deutsche Wesen hingewiesen. So wird in der Juni Ausgabe der Zeitschrift Modenschau im Artikel „Deutsche Menschen – deutsche Trachten“ in der Betrachtung schwäbischer und allemannischer volkstümlicher Kleidung hervorgehoben „wie ursächlich Mensch und Kleid vom Wesen der Landschaft abhängen.“2 Weiter heißt es:

„Man steht hier auf Boden, der ganz deutsch geblieben ist, obwohl von Süd und Westen immer wieder Vorstöße romanischer Rassen erfolgten. Sie vermochten keine merkbaren Spuren zu hinterlassen! Denn die größere Beweglichkeit, die leichtere, frohere Lebensauffassung des Volkes, das seit Urzeiten deutscher Geschichte im und am Schwarzwald haust, ist wurzelecht und nicht aus fremder Blutmischung geboren.“3


Fußnoten

1 Das englische Originalzitat lautet: „I am sincere in my preference for men's clothes—I do not wear them to be sensational … I think I am much more alluring in these clothes. …Wearing such clothes, too, there is a sense of perfect freedom and comfort. […] Women’s clothes take too much time—it's exhausting, shopping for them. Men's clothes do not change; I can wear them as long as I like. … I only hope other women try them and find the comfort I enjoy in them, free from all the constrictions of the conventional women's wear“, Shaffer, Rosalind, Marlene Dietrich Tells Why She Wears Men’s Clothes!, in: Motion Picture, Nr. 3 (45), April 1933, S. 54-55 u. 70, hier S. 54.

2 Wedekind, Anna P., Deutsche Menschen – deutsche Trachten. Schwaben und Allemannen, in: Modenschau, Nr. 246 (19), Juni 1933, S. 7 u. 50, hier S. 7.

3 Ebda.

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