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Titelseite, Titelblatt bzw. Cover der österreichischen illustrierten Frauen- und Modezeitschrift Wiener Record Mode Nr. 104 vom Juli 1929.
ERSCHEINT MONATLICH.
9. JAHRGANG, NR. 104.
BESCHREIBUNG DER MODELLE AUF DER ERSTEN UMSCHLAGSEITE:
3640: Schickes Hochsommercomplet. Neuartiger Faltenrock und Jumper aus weißem Leinen. 7/8 lange, streng geradlinige Jacke aus blauem Leinen, mit rot-weißem Vorstoß. (Stoffverbr.: Leinen weiß 3.60 m bei 80 cm Breite, Leinen blau 2.30 m bei 80 cm Breite. Schnittgr. 44.)
3641: Elegantes Mantelcomplet für den Hochsommer. Als Material dient naturfarbener Shantung. Aufputz und Künstlerkrawatte aus großgetupftem Foulard. Umlegekragen aus Lingerie. Gürtel aus Leder. (Stoffverbr.: Shantung 6 m bei 90 cm Breite, Foulard 0.30 m bei 90 cm Breite. Schnittgr. 44.)
3642: Duftiges Hochsommerkleid aus bunt gemustertem Crêpe de Chine, in einfacher Fasson. Dreistufenrock mit plissierten Rüschen. Origineller Plastroneffekt mit plissierter Rüsche und Schleife aus gleichem Material. (Stoffverbr.: Crêpe de Chine gemustert 4.25 m bei 100 cm Breite. Schnittgr. 44.)
SÄMTLICHE SCHNITTE VORRÄTIG.
Auslieferung für den Buchhandel in Deutschland: HOFFMANN & OHNSTEIN, LEIPZIG.
PREIS EINSCHLIESSLICH SCHNITTBOGEN 75 PFENNIG, DAZU ORTSÜBLICHE ZUSTELLGEBÜHR.
Zeichnung/Illustration: unbekannt/unsigniert.
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3643: Mädchenkleidchen aus Leinen in blusiger, gegürteter Machart mit reicher Steppereiverzierung. (Stoffverbr.: Leinen 2 m bei 80 cm Breite. Schnittgr. 8—10 Jahre.)
3644: Mädchenkleidchen aus gemustertem Foulard mit ärmellosem Jäckchen. Vorstoß aus Unifoulard in der Farbe der Musterung. Kragen und Plastron aus Lingerie. (Stoffverbr.: Foulard gemustert 3.25 m bei 90 cm Breite, Unifoulard 0.50 m bei 90 cm Breite, Lingerie 0.40 m bei 90 cm Breite. Schnittgr. 10—12 Jahre.)
3645: Duftiges Mädchenkleidchen aus Marquisette in einfacher Machart mit Ajourverzierung. (Stoffverbr.: Marquisette 2 m bei 100 cm Breite. Schnittgr. 8—10 Jahre.)
3646: Reizendes Mädchenkleidchen. Plastron und Plisseeröckchen aus weißem Leinen. Jumper und Rockansatz aus pastellrosa Leinen. Apachenfichu aus getupftem Foulard. (Stoffverbr.: Leinen weiß 1.25 m bei 80 cm Breite, Leinen pastellrosa 1.75 m bei 80 cm Breite, Foulard getupft 0.75 m bei 90 cm Breite. Schnittgr. 10—12 Jahre.)
3647: Mädchenkleid aus hübsch gemustertem Etaminegewebe. Der Berthekragen und die Volants sind bogig ausgeschnitten. (Stoffverbr.: Etamine 2.75 m bei 100 cm Breite. Schnittgr. 10-12 Jahre.)
RECORD-SCHNITTE zu allen Modellen sind in den angegebenen Normalgrößen mit Bild und Bezeichnungen auf den einzelnen Schnittteilen zu folgenden Preisen sofort lieferbar:
Große Schnitte GM. 1.— (Kleid, Kostüm, Mantel).
Kleine Schnitte GM. —.70 (Rock, Bluse, Kinderkleid)
Schnittmuster nach persönlichem Maß GM. 4.— (komplizierte Muster 50% Zuschlag).
Bei schriftlicher Bestellung ist der billigste Bestellweg: Einzahlung des Betrages, sowie GM. —.15 für Porto auf Postscheckkonto, Bestellung auf dem Abschnitt desselben vormerken, oder Voraussendung in Briefmarken, dazu GM. —.15 Porto. Bei Zusendung unter Nachnahme entstehen weitere GM. —.30.
Preise der Stichpausen zu unseren Handarbeitsvorlagen: Größe I GM. —.75, Größe II GM. 1.30, Größe III GM. 1.80.
Schnittmusterlager in folgenden Städten, lieferbar durch Record-Verkaufsstelle in:
Braunschweig, Bohlweg 49, Heinrich Bönnighausen.
Breslau, I. Blücherplatz 20/I, Heinrich Diegmann, Fernsprecher: Ohle 7624.
Dessau, Theaterbau, Joh. Rothe.
Dresden-A., Wallstraße 12, Alwin Krause.
Elberfeld, Wallstraße, Ph. Freudenberg.
Frankfurt a. M., Goethestraße 27/1, J. & M. Martens.
Freiberg, Erbische Str. 2—4, Carl Hubricht.
Halle a. Saale, Gr. Ulrichstraße 6—8, W. F. Wollmer.
Hamburg, Heuberg 1, B. Meyer.
Hannover, Karmarschstraße 5, C. Westermann.
Hirschberg, Adolf Staeckel & Co.
Kassel, Oberste Gasse 28, A. Waege.
Kiel, Knooperweg 22, C. Fries.
Köln a. Rhein, Glockengasse 13, Heinr. Kramer.
Leipzig C 1, Hospitalstraße 2, Hoffmann & Ohnstein, Fernsprecher 10890.
Magdeburg, Schuhbrücke 10, Hans Kaufmann.
Mainz, Mittlere Bleiche 41, F. Schaudt.
München, Utzschneiderstraße 9, H. Staudinger, Fernsprecher 20483.
Nürnberg, Adlerstraße 14, F. Lengenfelder.
Wo nicht erhältlich: durch HOFFMANN & OHNSTEIN, LEIPZIG C 1, HOSPITALSTRASSE 2. Postscheckkonto Leipzig Nr. 52.923.
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Titelblatt der Illustrierten Wiener Record Mode Nr. 104 vom Juli 1929.
[Zwei großformatige Modefotografien:] Elegante Hochzeitstoilette aus schwerem, mattem Satin; große Schleppe mit glänzender Schleife. Enganliegendes Häubchen aus weißen Perlen. Modell: LEBOUVIER. Phot. D'ORA, Paris.
Links: Chikes [sic!] Complet aus blauem Taffet, breite Tüllränder mit Taffetbändchen benäht; hiezu kleiner Strohhut mit Schleier. Modell: A. GALLEWSKI. Phot. BALAZS, Berlin.
Fotos: Madame d’Ora (Dora Kallmus bzw. Dora Philippine Kallmus, 1881-1963); Atelier Alexander Balázs, Berlin (1890-1932).
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Artikel:
Falk, Henry, Im Autocar (von Henry Falk, unbekannter Autor; Übersetzung ins Deutsche von Rose Richter).
[Drei Modefotografien]
Mitte: Großes Gummitier — ein beliebtes Wasserspielzeug für Klein und Groß. Phot. BECKER & MAASS, Berlin. *
Links: Freiluftanzug, bestehend aus einem zweiteiligen Trikot und kurzem Mantel. Modell: WORTH. Phot. D'ORA, Paris. *
Rechts: Badepyjama aus Rohleinen mit roten Borten; großer, rot-weiß karierter Sonnenschirm. Modell: HERMES. Phot. D'ORA, Paris.
Foto: Atelier Becker & Maass, Berlin; Madame d’Ora (Dora Kallmus bzw. Dora Philippine Kallmus, 1881-1963).
[Falk, Henry, Im Autocar.]
Wie ein Drache mit Flammenaugen kommt der Autobus durch die Gebirgsdämmerung herangerast, hält vor dem Hotel und speit die Insassen, die er tagsüber verschlungen hat, unversehrt wieder aus. Die einen entsteigen seinem Maul, die anderen großen Wunden an den Flanken des Ungeheuers, die kleine Grooms mit Türchen verschließen. Die Nacht beeilt sich an diesem schönen Tage und schon werden die Schatten der Berge länger. Der Führer des geleerten Autocars hat sich neben den Chauffeur gesetzt, der den Wagen noch in der Garage des Alpenklubs unterbringen muß.
„Fertig, Monsieur Emile, es ist gleich acht. Gehen wir nachtmahlen.“
Bastien war ein strammer Kerl aus der dortigen Gegend, mit einem dichten, roten Haarschopf, niederer Stirn und kleinen, runden Äuglein, der schon seit einem Jahr den Autocar chauffierte.
„Ja, es ist Zeit,“ bestätigte Emile, der auch bereits ein Jahr den Passagieren die im Reisehandbuch verzeichneten Herrlichkeiten ins rechte Licht setzte. Emile — braunes Haar, hohe Stirn, Brille auf der Nase — ist ein Städter, der, ein seltener Fall, die Natur der Stadt vorgezogen hat. Als Beamtensohn war er auch für die Bureaulaufbahn bestimmt gewesen, als er aus Gesundheitsrücksichten zu einer langen Höhenkur verurteilt wurde und, um dabei etwas verdienen zu können, die Stelle eines Fremdenführers bei den Autocars angenommen hatte. Beneidenswert die Ausflügler, wenn sie schon überhaupt jemand brauchen, der ihnen ihre Eindrücke diktiert, diesem redseligen, begeisterten Führer zu begegnen. Als sich Herr Emile dem guten Bastien in dem Gasthaus gegenübersetzte, wo ihnen die Abendsuppe schon entgegendampfte, seufzte er mit einem Jammerblick auf:
„Ach ja! Wieder einmal ein Abenteuer! Aber ein wirkliches Abenteuer, mein Junge: ein blondes, junges Mädel! Mit offenem Mund hat sie mir zugehört… — einfach zerflossen ist sie — ich habe geglaubt, ihr Herz schlagen zu hören! Hast du sie gesehen?“
„Nein. Ich hatte die Augen am Volant. Aber wenn du glaubst, daß ein Mädel mit einem so teuren Rundreisebillett dich überhaupt nur ansieht, dann bist du nicht recht im Kopf.“
„Du erbärmlicher Erdenwurm. Soll ich dir noch etwas sagen? Sie hat beim Aussteigen mit mir gesprochen — und rate einmal, was sie mir gesagt hat!“
„Da haben Sie vierzig Sous Trinkgeld.“
„Armer Narr! Sie hat mir gesagt: ‚Mein Freund‘ — hörst du: … [Fortsetzung auf nächster Seite 5].
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Artikel:
Falk, Henry, Im Autocar (von Henry Falk, unbekannter Autor; Übersetzung ins Deutsche von Rose Richter).
[Großformatige Modefotografie]
RECHTS: Apartes Nachmittagskleid aus buntem Chinakrepp und schwarzem Crêpe satin (Maria West [oder Maria Crone (auch: Crone-West), österreichische Schauspielerin, 1900-1990]). Modell: DRÉCOLL. Phot. BECKER & MAASS, Berlin.
Foto: Atelier Becker & Maass, Berlin.
[Falk, Henry, Im Autocar.]
[Fortsetzung von vorheriger Seite 4] … mein Freund! ‚Sie haben mir heute die Naturschönheiten so zum Bewußtsein gebracht, daß ich denselben Ausflug morgen noch einmal mache. ‚Reservieren Sie mir den Platz neben Ihnen!‘“
„Vielleicht ist sie schwerhörig.“
„Kretin!“
Emile zitterte vor Wut. Nach langem, verbissenem Schweigen, während Bastien ruhig auf seinem Teller Rindfleisch und Gurken zu Würfeln zerschnitt, brach er los: „Soll ich dir einmal meine Meinung sagen? Du kommst mir vor wie ein Tier, nicht wie ein Mensch: beschränkt, unwissend, primitiv. Oh, wie paradox und doch wahr! ,Ein Kind der Berge‘, zu Füßen der Gletschermajestät geboren — und nie noch hast du ihre Schönheit und ihre Größe auch nur bemerkt.“
„Ja, weißt du, mein Lieber, ich schaue eben auf den Weg.“
„Sag' mir, was empfindest du zum Beispiel, wenn wir durch das Tal von Paravese fahren?“
„Stöße.“
„Im Herzen?“
„Nein, ganz wo anders. Die Straße ist dort miserabel.“
„Ein Unmensch! Aber das Tal von Paravese ist ja von geradezu überwältigender Schönheit! Ach, wie hat dort die schöne Blonde jedes meiner Worte eingesogen: ‚Sehen Sie dort über den Felsen die regenbogenfarbenen kleinen Wasserfälle mit ihren Spitzenfransen und jene zarten Bergspitzen, auf denen die Sonne die blauen Gletscher rosig färbt? Ist das nicht herrlich!‘“
„Wirklich?“ sagte Bastien, und hörte einen Augenblick auf zu kauen. „Ist es wirklich so herrlich?“
„Ach, wenn ich dich nur ein bißchen über dich hinausheben könnte! — Aber gute Nacht einstweilen! Auf Morgen!“
Emile schlug die Tür hinter sich zu und ließ Bastien still und in Gedanken versunken zurück.
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Am nächsten Morgen war das blonde Mädel unter den Passagieren:
„Siehst du, daß sie gekommen ist, du dummer Kerl!“ flüsterte der Führer dem Chauffeur triumphierend zu. „Dafür werde ich aber auch von einer unerhörten Beredsamkeit sein und von einer Poesie —!“
Die Rundfahrt begann und Bastien am Volant dachte nach: „Dummer Kerl!“ Wahrscheinlich hat er recht. Ich rolle und rolle über Straßen dahin wie eine Maschine — gefühlloser als mein 50 HP — und von allem, was man um mich herum bewundert, sehe ich nichts, nichts — gar nichts.
Sie waren im Tal von Paravese angekommen und Emile begann zu deklamieren: „Meine Damen und Herren! Sehen Sie dort über den Felsen die regenbogenfarbenen kleinen Wasserfälle — jene Bergspitzen, wo die Sonne die blauen Gletscher rosig färbt —? Ist das nicht herrlich?“
„Ja!“ schrie plötzlich der Chauffeur Bastien, und sah sich um, „es ist herrlich!“
Eine Sekunde darauf lag der Autobus im Straßengraben — der glücklicherweise nicht tief war. Hautabschürfungen, geprellte Arme, blaue Flecke, nichts Ernstes. — Aber alle Ausflügler schrien Zeter und Mordio über den Chauffeur. Das junge, blonde Mädel bedauerte hinkend, noch einmal mitgekommen zu sein. Emile mit zerschnittener Nase heulte. Nur Bastien saß unverletzt im Gras und kümmerte sich nicht um das Wehgeschrei; er betrachtete das erstemal im Leben die Natur und konnte sich vor Bewunderung nicht fassen: „Herrlich! Herrlich! Einfach herrlich!“ (Deutsch von Rose Richter.)
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Artikel:
Roda, Roda, Stegemanns Töchter (von Alexander Friedrich Ladislaus Roda Roda, 1872-1945).
[Roda, Roda, Stegemanns Töchter.]
Er hatte ihrer vier im Alter von sechzehn bis zu vierundzwanzig Jahren, außerdem eine ganz junge, die erst acht Jahre zählte — lauter große, prächtige Mädel — doch Mädel, keinen Sohn, und, was des Jammers mehr war, keinen Schwiegersohn.
Eines Tages, Anfang Juni, war Aufruhr in der Mädchenstube. Mama zankte, die Töchter weinten und lachten, Vater hatte den Rückzug angetreten.
Und der Grund? Onkel Peter hatte alle fünf Geschwister zu sich geladen. Jawohl, er getraute sich das. Er hat keine Töchter, der Glückliche, dachte Herr Stegemann, und weiß nicht, was er tut.
Eine Woche später füllte sich ein Bahnabteil mit Stegemanns Töchtern — Mila, Luise, Flora, Nelli, Emma fuhren jubelnd und schwatzend ab — eine Mädchenkompagnie in grauroter Uniform.
Onkel Peter nahm sie gut auf, Tante und Vetter benahmen sich musterhaft. Sie befolgten den Grundsatz der Gastfreundschaft: die Gäste nach ihrem Belieben Unterhaltung suchen zu lassen.
Fünf Wochen vergingen. Dann flatterten fünf Briefe aus Onkel Peters Gut in die Welt hinaus.
Mila, die älteste, erfüllte zuerst ihre Freundespflicht. Sie schrieb: „Liebe Käthe! Hier bin ich also, wie ich es mir so furchtbar gewünscht habe, auf dem Land. Ich könnte Dir eine lange Beschreibung liefern, aber wir haben es ja kurz und bündig immer für richtiger gehalten. Laß Dir denn mit Schlagworten berichten: Wunderbare Spazierfahrten — elegante Pferde, selber lenken — ungeheuer galanter Vetter — prachtvolle Augen — lachender Mund voll weißer Zähne — gräßliches Herzklopfen in manchen Augenblicken — beiderseits, wenn ich nicht irre. — Jetzt weißt Du alles. Nur eins laß Dir noch erzählen: Ich fahre unlängst ins Wäldchen. Wie schauderhaft romantisch und interessant solch einsame Fahrten! Ich träume vor mich hin — da springt ein Jagdhund aus dem Gebüsch und umbellt den Wagen. Das eine Pferd reißt aus — ich schreie — ich glaube, ich habe vor Schreck sogar die Zügel fallen lassen. Da hängt sich jemand den Pferden in die Zügel und bringt sie zum Stehen. Mein Retter heißt Arno Meier und ist ein Freund von Vetter Gerhard. So schön wie Gero ist er freilich nicht. Aber denk Dir nur: ein Mann, der Arno heißt! Muß man ihm nicht alles verzeihen, sogar seinen Familiennamen? Ach, wenn ich doch Komtesse Falkenfels hieße und es gäbe ein Gesetz, daß die Gatten am Hochzeitstag den Namen ihrer Gemahlin annehmen! Doch auch dann wäre dieser Arno nicht mein Fall. Neben Gero — ich kann es nicht ändern — schrumpft er zu einer Null zusammen. Gero ist einzig. Bitte schilt mich nicht unbescheiden, aber ich glaube, daß ich Gero wirklich nicht gleichgültig bin. Gruß, Kuß — Mila.“
Eines Nachmittags entriß sich auch Luise ihren Lieblingsbeschäftigungen und verfaßte folgenden Brief: „Teure Leotine! Ich wünsche Dir zu Deinem Geburtstag herzlich Glück. Hoffentlich geht es Dir so wohl wie mir. Ich habe mich sehr der Tante angeschlossen, wirtschafte fleißig und fühle mich wie zum Haus gehörig. Meine liebste Leotine, manchmal wenn ich Rahm, süßen, unverfälschten Rahm aus dem Milchkeller heraufhole, folgt mir ein dunkles Augenpaar: Gerhards Blicke. Und in diesen Augen liegt der Wunsch, daß es immerdar so bliebe, daß ich ewig Rahm für meinen Vetter holen dürfte, und daß er mir ewig so nachblickte. Ja, Leotine, das wäre Seligkeit! Aber noch ein anderer nimmt Interesse an mir: der Direktor des benachbarten Gutes. Kein alter Mann. Er ist ein Vierziger, der Herr Eduard Kölner, sehr nett. Neben Gerhard kann er doch nicht… [Fortsetzung auf Seite 8].
Werbung:
Reiset mit Lux! Andere Plätze, andere Bilder. Die moderne Dame reist gerne; stets ist sie fesch angezogen, mit frischen, duftigen Kleidern, wo immer sie auch sein mag. Wie macht sie das? Sie wäscht ihre Sachen mit Lux und ist, da sie Lux immer mit sich führt, von Zeit und Ort unabhängig. Und wie einfach und sicher eine solche Luxwäsche ist; Ihr Reisegepäck sollte daher unbedingt ein Päckchen Lux enthalten. LUX. Zeichnung/Illustration: unbekannt/unsigniert.
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[Drei Modefotografien]
Mitte: Elegantes Abendkleid aus rosa Chiffon mit Straßstickerei; an der Halskette sind Stoffenden befestigt, die capeartig fallen (Edith v. Winterfeld [Baroness Edith von Winterfeld, Lebensdaten unbekannt]). Modell: HERPICH. Phot. BALAZS, Berlin.
Links: Stilkleid für den Abend aus schwarzem Tüll mit kunstvoller Straßstickerei. Modell: LANVIN. Phot. D'ORA, Paris.
Rechts: Apartes Sommerabendkleid aus Crêpe satin mit schön gezeichnetem Rosenmuster. Modell: GOUPY. Phot. D'ORA, Paris.
Fotos: Atelier Alexander Balázs, Berlin (1890-1932); Madame d’Ora (Dora Kallmus bzw. Dora Philippine Kallmus, 1881-1963).
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Artikel:
Roda, Roda, Stegemanns Töchter (von Alexander Friedrich Ladislaus Roda Roda, 1872-1945).
[Roda, Roda, Stegemanns Töchter.]
[Fortsetzung von Seite 6] … aufkommen. So zwischen zwei Lieben zu schweben! Unlängst ging er an mir vorüber, Eduard nämlich, zog den Hut und sprach: ‚Guten Tag, Fräulein Luise!‘ — in einem Ton, sage ich Dir, der mir ins Herz drang. Und doch gehört meine Liebe Gerhard und sein Herz — so hoffe ich — mir. Es umarmt Dich aufs zärtlichste. Deine überströmend glückliche Luise.“
Sie hatte den Kopf tief auf den Tisch gebeugt, die Feder in Bereitschaft, die junge Flora, starrte seit einer halben Stunde auf ihr Briefpapier und jagte einem Gedanken nach, der sich nicht haschen ließ. Endlich blickte sie zu ihrer Schwester Mila auf. „Was soll ich ihr noch schreiben?“
„Was du ihr noch nicht geschrieben hast.“
„Ah — du! Hör' mal zu:
‚Geliebte Paula! Du fragst, wie ich mich befinde? Mir geht es hier sehr gut. Es ist ein großes Vergnügen, spazieren zu gehen, der Garten ist sehr schön und mit vielen wohlriechenden Blumen geziert. Ich habe mir schon eine Menge gepreßt.‘ — So weit bin ich, aber weiter?“
Mila stand auf, um fortzugehen. „Schreib ihr noch,“ sagte sie in der Tür, „daß du in Gerhard wahnsinnig verschossen bist — und ein Langes und Breites über Vögelein und Bienlein, Maienluft und Liebe!“ — Mila schloß lachend die Tür.
Flora warf den angefangenen Brief als großen Papierkloß in die Ecke. Hatte diese Mila wieder spioniert und der armen Flora Tagebuch entdeckt! Helle Zornestränen standen ihr in den Augen.
Der vierte Brief: „Liebste Fini! Denk' Dir! Herz! Freundin! Maus! Fini, nein, Du kannst Dir's nicht denken, also laß Dir erzählen. Seit vier Wochen habe ich Dir nicht geschrieben. Weißt Du, warum? Weil ich unglücklich verliebt gewesen bin. Heute schreibe ich Dir plötzlich. Weißt Du, warum? Weil ich glücklich verliebt bin. Du, armes Kind, hast so etwas noch nie erlebt, bist ja auch zwei Monate jünger als ich. Du weißt, daß ich immer unter der Last meiner älteren Schwestern seufze, so auch hier. Ich war der Backfisch und sollte immer mit Emma spielen, während die drei, Mila, Luise und die hochpoetische Flora, schauderös mit Gerhard kokettierten, mit Gerhard, den ich selbst so unsäglich liebte. Gestern, wir waren allein im Pavillon, gestand er mir plötzlich seine Gefühle. Ich hatte mir solch eine Erklärung umständlicher gedacht. Er rang gar nicht nach Atem, fuhr sich nicht einmal nervös ins Haar. Er nahm mich einfach in die Arme, küßte mich fest, und fragte mich, ob ich seine Frau werden wolle. — ‚Aber ja, gern,‘ sagte ich. ‚Wenn ich klein bin, schadet es nichts, ich werde schon noch wachsen.‘ Ich juble und jauchze. Aus dem Backfisch wird im Handumdrehen eine Frau. Juchhe! Gratuliere geschwind, damit Du die Erste bist! Mila, Luise, Flora werden grün und gelb vor Neid werden. Deine Nelli.“
Auch für die kleine Emma kam die Zeit. Sie verbrauchte einen halben Liter Tinte, mehr zu Flecken auf Diele, Kleid und Schürze als zum Schreiben, eine Unmasse Briefbogen, malte einen halben Tag Buchstaben und brachte zehn Zeilen fertig: „Libe Elsa! Ich bin sehr gern beim Onkl. Die tante ist sehr braf, ich wer dir nicht fil schreibn, denn du hast mir auch noch nicht geschribn. Ich nähe meiner Puppe ein Kleit, Rosa mit rote Schleifen, die mir die tante geben hat. Jez hab ich mer Ruh vor der Mila und Luise und Neli. Von der dummen Flora habe ich mir immer nix gefallen lassen! Sie sind alle dumme Gänse. Sags aber niemant, den Brif verbrenn! Emma.“
Die Schwestern blieben noch vier Wochen und erholten sich langsam von der Treulosigkeit Gerhards. Nelli gegenüber leugneten sie jedes Interesse an ihrem zukünftigen Schwager. Und um es deutlich zu beweisen, verliebten sie sich anderweitig.
Nur eins trübte ihre Freude: daß ihnen der Storch unterdessen zu Hause ein sechstes Schwesterlein gebracht hatte.
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[Eigenwerbung des Verlags Société Graphique, Aktiengesellschaft für Modeverlag, Wien XVIII.] FÜR DIE HERBSTSAISON EMPFEHLEN WIR unsere nachstehend angeführten Saisonalben, welche eine reiche Auswahl eleganter, doch einfacher Pariser und Wiener Modelle der gesamten Damen- und Kindermode enthalten.
STAR Nr. 23. Beliebtestes Saisonalbum; enthält in einem Prachtumschlag ungefähr 500 elegante Modelle, 52 Seiten auf Kunstdruckpapier, hievon 20 in künstlerischem Farbendruck.
Große Wiener Modenwelt Nr. 30 (SMART). Großes Saisonalbum, unentbehrlich für jedes Modenatelier. Das Journal enthält in einem Prachtumschlag 44 Seiten, von denen 20 in künstlerischem Farbendruck ausgeführt sind; ungefähr 400 Modelle.
Wiener Modenspiegel Nr. 10 (STELLA). Reichhaltiges Saisonalbum mit 52 Seiten, hievon 12 Seiten in Farbendruck. 400 einfache und leicht ausführbare Modelle der gesamten Damen- und Kindermode.
L'Elégance Feminine Nr. 18. Neues Saisonalbum, welches auf 16 Seiten in Farben- und 16 Seiten in Schwarzdruck ungefähr 300 Modelle in künstlerischer Federzeichnung bringt. Das Album ist zur Gänze auf feinstem Kunstdruckpapier hergestellt!
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[Drei Modefotografien]
Links: Apartes Nachmittagskleid aus hellblauem Crêpe de Chine (Viola Garden [österreichische Stummfilmschauspielerin, 1902-1993]). Modell: KLYHS. Phot. BALAZS, Berlin.
Mitte: Schickes Sommer-Complet: Kleid aus weiß-rot gemusterter Seide, Mantel aus weißem Woll-Georgette (Viola Garden). Modell: KLYHS. Phot. YVA, Berlin.
Rechts: Sommer-Complet aus getupftem Crêpe Georgette. Schwarzer Roßhaarhut (Grita Ley [oder Gritta Ley, deutsche Schauspielerin, 1898-1986]). Modell: BECKER. Phot. BECKER & MAASS, Berlin.
Fotos: Atelier Alexander Balázs, Berlin (1890-1932); „Yva“ bzw. Else Ernestine Neuländer-Simon (1900-1942); Atelier Becker & Maass, Berlin.
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Für den Hochsommer.
3668: Einfaches Hochsommerkleid aus naturfarbener Rohseide. Der in Form angesetzte Rockteil ist fein plissiert. Ansatz, Doppelgürtel und neuartiges Jabot aus roter Rohseide. (Rohseide 3.50 m bei 80 cm breit, Rohseide 1 m bei 80 cm breit.) Schnittgröße 44.
3669: Ärmelloses Hochsommerkleid aus beigegrundigem, buntgemustertem Crêpe de Chine. Grundrock und Volant bildet seitlich stark abstehende Glocken. Plissierte Rüschchen dienen als Aufputz. Breiter Gürtel aus Seidenband. (Stoffverbrauch: 3.25 m bei 100 cm breit.) Schnittgröße 44.
3670: Duftiges Hochsommerkleid aus buntgeblümtem „crêpe-mousseline“. Der Oberteil setzt sich als abgerundeter Hüftensattel fort. Kragen und Jabot aus weißem Musselin. (Bedruckter crêpe-mousseline 2.75 m bei 100 cm breit, Crêpe Georgette 0.50 m bei 100 cm breit.) Schnittgröße 44.
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