Modenschau, Heft Nr. 190, Oktober 1928

Modeabbildungen und redaktionelle Inhalte aus der deutschen Modezeitschrift Modenschau (Illustrierte Monats-Zeitschrift für Heim und Gesellschaft) Nr. 190 vom Oktober 1928. Herausgegeben vom Verlag Gustav Lyon, Berlin.

Seiten insgesamt: 64 (vollständig online)

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64 Seiten

Titelseite bzw. Cover der deutschen Modezeitschrift Modenschau (Untertitel: Illustrierte Monats-Zeitschrift für Heim und Gesellschaft) Nr. 190 vom Oktober 1928. Beschreibung der farbigen Umschlagseite. J 5167: Elegantes Abendkleid aus wasserblauem Moiré mit Bandträgern und einseitig verlängertem Rock. Einfarbiger Hüftgürtel mit Schleife. Stoffverbrauch: 3 m Moiré, 100 cm breit. Schnittgröße 44 und 48. Preis 95 Pf. J 5168: Festkleid aus rosa Crêpe de Chine für Mädchen von 6—10 Jahren. Rote Einfassung an den Bogenrändern. Roter Blendenbesatz am weißen Schulterkragen. Rosette. Stoffverbrauch: 2,75 m 100 cm breit. Schnitt 75 Pf. J 5169: Jugendliches Tanzkleid aus lachsrosa Crêpe de Chine und Tüll, der für den Volantrock verwendet ist. Breite Säume an der Taille. Dunkle Ansteckblüten. Stoffverbrauch: 1,90 m Seide, 1,85 m Tüll, je 100 cm breit. Schnitt für 14—16 Jahre und Größe 42. Preis 95 Pf. J 5170: Abendkleid aus pastelllila Seide mit interessantem Zipfelrock und schönem, gesticktem Motiv. Stoffverbr.: 3,50 m 100 cm breit. Abplättmuster, Preis 40 Pf. Schnittgröße 44 u. 46. Preis 95 Pf. Preis pro Heft: 70 Pfg., mit Schnittmusterbog. 80 Pfg., hierzu ortsübl. Zustellgebühr. Verlag Gustav Lyon, Berlin SO 16 — Auslieferung für den Buchhandel in Deutschland Wilhelm Opetz, Leipzig. Titelillustration/Titelzeichnung: unbekannt/unsigniert.

Artikel: O. V., Anekdoten. Werbung: Hitze und Kälte in rascher Aufeinanderfolge sind die schlimmsten Ausgangspunkte zu Erkältungen und nachträglichen schweren Leiden. Wieviel Berufe leiden unter gleichen Umständen. Für jeden solchen Beruf gilt so vorzubeugen. Sind Sie erkältet, so müssen Sie schnell und sicher Ihren Husten und Katarrh wegbringen. Seit 40 Jahren hat sich immer wieder bestätigt, daß Kaisers Brust-Caramellen ein vorzügliches und dabei billiges Mittel sind. Nehmen auch Sie es und achten Sie stets auf die Marke „3 Tannen“. In Apotheken, Drogerien und wo Plakate sichtbar. Beutel 40 Pfg. Dose 80 Pfg. Kaiser’s Brust-Caramellen mit den 3 Tannen. Qualitätsversand Lustig & Co. Dresden-A.1. Rosenthal- Tafel- u. Kaffeegeschirre auch die Formen „Maria“ u. „Perlrand“ liefern wir ohne Preisaufschlag gegen Teilzahlung. 20% Anzahl., Rest 5 Monatsrat. Den reichillustr. Katalog P 58 senden wir Ihnen kostenfrei. Zeichnung/Illustration: „KROTOWSKI“ (Stephan Krotowski, 1881-1948). C•M•S Nähseiden (FABRIK-MARKE SEMPER BENE) Handarbeits-Garne Carl Mez & Söhne A.-G. Freiburg i. B. – Wien. Gegründet 1785. „PFEILRING“ LANOLIN-SEIFE u. CREAM zur Hautpflege seit 36 Jahren unübertroffen! Zeichnung/Illustration: „S“ (unbekannte Signatur).

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Titelseite der Modenschau (Untertitel: Zeitschrift für Heim und Gesellschaft) Nr. 190 vom Oktober 1928. Artikel: Parsen, P., Die Junggesellin und ihr Heim (von P. Parsen, unbekannter Autor). In Zentrum der Seite ist eine Fotographie mit der ungarischen Sängerin und Filmschauspielerin Iréne Ambrus (1904-1990) abgebildet, die in einem Sessel sitzend in die Fotokamera lächelt und eine Ausgabe der Modenschau in den Händen aufgeschlagen hält. Die Bildunterschrift lautet „Jede Frau kriegt einen Mann die nach Lyon schneidern kann. Iréne Ambrus“. Foto: Alexander Binder, Berlin, Fotograf (1888-1929). [Parsen, P., Die Junggesellin und ihr Heim.] „Ich bedauere, aber an Damen vermiete ich nicht!“ Wie oft muß die Junggesellin diese bald unliebenswürdig, bald sehr höflich, aber immer mit gleicher Bestimmtheit geäußerte Ablehnung hören, wenn sie Unterkunft sucht? Ist Mißtrauen in die moralische Zuverlässigkeit, sind veraltete Anschauungen aus vergangenen Zeiten, wo man in der alleinstehenden jüngeren Dame etwas nicht ganz Korrektes sehen wollte, der Grund für so viele zimmervermietende Damen, grundsätzlich nur Herren aufzunehmen? Vielfach ist es tatsächlich einer dieser Gründe, vielfach aber auch die Furcht vor größeren Anforderungen, die die Mieterin stellen könnte. Der „möblierte Herr“ ist meist anspruchsloser als die im Berufsleben stehende Frau ohne eigenes Heim: er ist zufrieden, wenn das Zimmer in Ordnung gehalten wird, und man ihm seine Ruhe läßt! Damen stellen zunächst einmal immer höhere Ansprüche an Sauberkeit, Behaglichkeit, verlangen immer ein bißchen mehr an kleinen Hilfeleistungen und — sind öfter in der Freizeit daheim; sie lieben es viel mehr als der Herr, sich eine kleine Mahlzeit selbst zuzubereiten, sie sind eben mit einem Wort an mehr Bequemlichkeit, mehr Häuslichkeit gewöhnt, weil sie trotz aller wirtschaftlichen Selbständigkeit und inneren Unabhängigkeit doch immer Frauen sind! Man kann es begreifen, daß jeder, der Zimmer seines Heims abgeben muß — und wieviele sind das heute! — bestrebt ist, möglichst wenig Mühe mit dem erzwungenen Hausgenossen zu haben und darum lieber den Herrn als die Dame zum Mieter wählt. Es ist zwar nicht sehr menschenfreundlich; aber der Mensch ist eben unvollkommen und darum leider meistens Egoist. Rein wirtschaftlich betrachtet ist Zimmervermieten ja doch auch ein Geschäft, und man kann es darum billigerweise nicht verübeln, wenn die Vermietenden danach streben, dies Geschäft möglichst rentabel zu gestalten — Zimmervermieten ist niemals angenehm! Aber wir wollen gerecht sein! Zahllose Junggesellinnen haben das Glück, bei liebenswürdigen Menschen ein behagliches Zimmer zu finden, wo man ihnen mehr als einen Unterschlupf bietet, und wo sie mit der Zeit — wenn sie selbst die entsprechenden Qualitäten besitzen — Hausgenossinnen in des Wortes bester Bedeutung werden, deren persönliche Freiheit respektiert, deren fleißiges Schaffen anerkannt, und denen freundschaftliche Wärme entgegengebracht wird. Aber selbst dann fehlt ihnen doch etwas: sie haben eine Wohnung — aber kein Heim. Immer klingt bei aller Harmonie das Gefühl durch: „Du bist hier bei fremden Menschen, bist ein Eindringling, den man nur aus der Not der Zeit heraus aufzunehmen gezwungen war; diese Möbel, diese Bilder, dieses Bett ist Dir nur zur Benutzung überlassen und wird Dir immer wesensfremd bleiben!“ Der in solchen Dingen weniger fein organisierte Mann wird kaum diesen Zwiespalt empfinden: die Mehrzahl der männlichen Junggesellen kennt es seit altersher gar nicht anders, als bis zum Augenblick der Ehe das Nomadendasein des „möblierten Herrn“ führen zu müssen. Aber die jungen und älteren Mädchen, die heute im Beruf wacker und aufrecht neben den Männern stehen, die kommen aus der behaglichen, wenn auch oft einfachen Sicherheit… [Fortsetzung auf Seite 2.] [Seite] 1

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Artikel: Parsen, P., Die Junggesellin und ihr Heim (von P. Parsen, unbekannter Autor). Auf der Seite sind zwei Fotographien abgedruckt. Das obere Foto zeigt eine Küche und das untere einen großzügigen Empfangsraum. Die Bildunterschriften lauten „Die Kochecke der Junggesellin (Heim der Post- und Telegraphenbeamtinnen). Photo: Fernstädt“ sowie „Der stilvolle Empfangsraum der studierenden Junggesellinnen im Victoria-Studienhaus. Photo: Fernstädt“. Fotos: Carl bzw. Karl Fernstädt, Fotograf (1894-1978). [Parsen, P., Die Junggesellin und ihr Heim.] [Fortsetzung von Seite 1] … eines Elternhauses, das ihnen immer ein herzstärkender Rückhalt gewesen ist — sie brauchen mehr als der Mann ein wirkliches Heim. Und so wird im Rahmen des großen Problems „Wohnungsnot“ die Frage des Heims der Junggesellin zu einem Teilproblem, an dem wir umsoweniger vorbeigehen dürfen, als alle Gesetze gegen den Wohnungsmangel heute immer nur — und das auch noch in völlig unzureichendem Rahmen — für die Verheirateten sorgen. Die Frage ist keineswegs erst seit dem Kriege akut, sie war es immer schon und ist in unserer Zeit durch die wesentlich höhere Zahl von berufstätigen unverheirateten Frauen nur noch dringlicher geworden. Und daher datieren die Versuche einer Lösung auch bereits aus der Zeit vor dem Kriege. Lassen wir zunächst einmal die Frage beiseite, wer die Mittel dazu aufbringen könnte, der Junggesellin ein wirkliches Heim zu schaffen, und überlegen wir erst, wie dieses Heim beschaffen sein müßte. Grundgedanke des Begriffs „Heim“ ist doch immer die Familie, diese aber fehlt der Junggesellin. Sie kann jedoch — wenn auch nicht vollkommen — ersetzt werden durch den Zusammenschluß mit Gleichgesinnten, Gleichstrebenden, Angehörigen des gleichen Berufes oder ganz einfach mit anderen Junggesellinnen der ungefähr gleichen sozialen Schichtung. Und zwar zunächst einmal für die Mußestunden! Damit kommen wir zur Form des Klubs nach englischem Vorbild, wie wir ihn im Deutschen Lyceum-Klub in Berlin finden. Geistig und künstlerisch schaffende Frauen finden hier an bestimmten Tagen die Möglichkeit gegenseitiger Aussprache, fördernder und unterhaltender Vorträge, aber auch zu jeder Zeit Gelegenheit, in den Gesellschaftsräumen Ruhe und Anregung zu gewinnen und sich menschlich näherzukommen. Ganz ähnlich wie in den englischen Klubs sind auch einige Zimmer, leider viel zu wenige, für Mitglieder vorgesehen. Auf ähnlichen Gedanken basieren die verschiedenen Abend- und Sonntagsheime, die alle eben nur für die Mußestunde vorsorgen wollen und können. Sie sind aber nur ein Heim auf Zeit — noch lange kein wirkliches Heim! Erst wenn Unterkunft, Verpflegung und kollegialer oder gesellschaftlicher Anschluß an einer Stelle sich vereinen lassen, können wir wirklich vom Heim der Junggesellin sprechen. Hier gibt es nun verschiedene Wege und Formen! Nehmen wir etwa das Ledigenheim der „Sozialen Arbeitsgemeinschaft e. V.“ als Beispiel, das kurz vor dem Kriege in Berlin eröffnet wurde. Hier ist die Klubidee — allerdings nur für Männer — schon weiter entwickelt: eine feste Hausordnung, gleichmäßig eingerichtete Wohnzimmer, gemeinschaftliche Speise- und Gesellschaftsräume. Etwas ähnliches, allerdings in komfortablerem Rahmen und auf die ganz besonderen Bedürfnisse der studierenden jungen Mädchen zugeschnitten, bietet das Victoria-Studienhaus, entstanden aus einer Stiftung von Ottilie von Hansemann, in Berlin-Charlottenburg. Ähnliche Studentinnenklubs — wenn man sie so nennen will — sind im Entstehen. Aber solche klubartigen Einrichtungen sind nur Übergänge; sie müssen und werden immer etwas Schablonenmäßiges, hotelartiges haben, das ihnen den intimen Reiz des ganz Persönlichen eines Dauerheims nimmt. Auf den aber kommt es gerade an, weil ja eben die moderne Junggesellin nicht nur die in der Berufsvorbereitung stehende, sondern die bereits fest im Berufsleben begründete Frau ist! Gerade diese aber will mehr als ein Zimmer zum Schlafen und Arbeiten und die Möglichkeit, in einem gemeinsamen Speiseraum ihre Mahlzeiten einzunehmen; sie braucht das Eigenheim. So hat der Verband der deutschen Post- und Telegraphenbeamtinnen sehr behagliche, nach modernsten Grundsätzen erbaute Häuser in Berlin errichtet, die aus lauter Einzimmerwohnungen bestehen, deren jede einen Balkon hat und durch Schlafnische und Kochstelle allen Bedürfnissen Rechnung trägt. Unstreitig ist das beinahe schon das Ideal eines Junggesellinnenheims! Aber nicht jede Junggesellin ist eine Kochkünstlerin oder hat Zeit und Lust, sich ihre Mahlzeiten selbst zu bereiten, möchte jedoch trotzdem ihre Mahlzeit in ihren eigenen vier Wänden einnehmen können. Es muß also die Möglichkeit gegeben werden, aus einer Zentralküche gegebenenfalls die fertigen Speisen zu beziehen, die dann auf der Kochstelle der Wohnung nur gewärmt werden. Selbst das Aufwärmen könnte überflüssig gemacht werden: es gibt heute genug wärmehaltende Transportgefäße und zweckmäßige Transportanlagen, um die Mahlzeiten… (Schluß Seite 11). [Seite] 2

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Artikel: Sell, Anita, Florenz an der Elbe (von Anita Sell, unbekannter Autor). In Zentrum des Artikels befinden sich zwei Fotografien. Die Bildunterschriften lauten „Der entzückende Barockpavillon im Zwingerhof. Photo: Techno-Photogr. Archiv“ sowie „Im neueren Dresden: Das Rathaus mit Friedrichsring. Photo: Transocean“. Fotos: Techno-Photographisches Archiv; Agentur Transocean. [Sell, Anita, Florenz an der Elbe.] „Mich überkam jene Heiterkeit, die Dresden, und nur Dresden, an einem schönen Frühlings- oder Herbstmorgen geben kann. Die Stadt beschenkt dann mit einer entzückenden Leichtigkeit und sorglosen Fröhlichkeit.“ Der dies schrieb, ist einer der Größten unter den deutschen Dichtern unserer Zeit: Gerhart Hauptmann. Dresdens Wesen und Geist, Dresdens Bedeutung für den Freude suchenden Wanderer ist damit wundervoll präzisiert. Zugleich aber ist zwischen den Zeilen für jeden merkbar, wie eng der Zusammenhang zwischen dem Florenz, jener graziös spielerisch eleganten Stadt der Medicäer und der Stadt Augusts des Starken ist. Nur: jenes Florenz am Arno ist heute teils eine laute, italienische Durchschnittstadt, teils ein Museum, in dem Erinnerungen vergangener Glanzzeiten sorglich gehegt und den staunenden Fremden gezeigt werden. Unser deutsches Elb-Florenz aber lebt: seine wundervollen Barockbauten umbrandet modernstes Leben; aber dabei ist immer etwas Festliches, freudig Beglückendes, also etwas Besonderes, in diesem Auf und Ab der Großstadt; man kann es besser fühlen als sagen: der Geist eines besseren, vergangenen Italiens ist hier, verdeutscht und vertieft, verfeinert und modernisiert, kraftvoller zu spüren als in dem unfestlichen modernen Florenz! Man könnte vielleicht so sagen: deutsches Fühlen und Denken, Schaffen und Bauen auf klassisch italienischer Grundlage. Jedenfalls, und das ist ja schließlich das Entscheidende, ist Dresden eine der anmutvollsten und doch imponierendsten deutschen Städten! Man muß einmal von der Neustadt her die gemächlich breit dahinströmende Elbe auf der Friedrich-August-Brücke überschreiten, um das Herz Dresdens mit einem Griff zu erfassen! Von der Ankunftseite her, dem prächtigen Hauptbahnhof in der Altstadt, entwickelt sich nämlich der köstlichste Teil der Stadt Dresden nur schrittweise und bringt wohl Einzelheiten zu besonderer Geltung, beraubt einen aber des monumentalen Eindrucks, den man von der Elbseite her gewinnt. Man ist ja den Anblick so vieler bedeutender Plätze gewohnt: feierliche Regelmäßigkeit wuchtiger Bauten wirkt imposant, aber doch ein ganz klein bißchen einförmig! Hier aber herrscht eine beinah lustige Unordnung: der Schloßplatz mit dem Doppelbau des Schlosses und der Hofkirche, quer dazu dem Wallotbau des Ständehauses hat eine ganz und gar unregelmäßige Form, so daß sich die Bauten kulissenhaft übereinanderschieben; der dicht daneben liegende Theaterplatz aber ist so luftig und leicht durch den weiten Zwischenraum und so graziös gegliedert durch den Zwinger, der ihn abschließt, daß man wirklich seine helle Freude an den klugen Architekten der Sachsenkurfürsten und -Könige haben kann! Am schönsten genießt man den Blick vom „Balkon Europas“, wie Meister Baedecker die berühmte Brühl’sche Terrasse genannt hat. Dann fordert nämlich auch die Frauenkirche unsere Beachtung, jene Kirche mit der berühmten Steinkuppel, deren Tragfähigkeit man zur Zeit des Baues stark bezweifelte, die aber trotzdem durch schwere Not und Gefahr wacker standhielt: des alten Fritzen Kanonen haben drei Tage lang versucht, die dort vermuteten Beobachter herunterzutreiben — aber die Kuppel hielt aus! Und wenn dann der Blick vorwärtsstrebt, von der Brüstung der Terrasse hinauf und hinunter auf den breiten Elbstrom, dann merkt man erst, wie genial der Erbauer, jener verwegene, skrupellose Ränkeschmied und mächtigste Minister Sachsens, jener Intrigant und erbarmungslose Steuereintreiber seines Fürsten, doch gewesen sein muß: einen besseren Platz konnte er nicht für diesen Bau wählen. Man verzeiht ihm vieles, was die Geschichte von ihm berichtet, wenn man hier oben steht! Auch hier hat man wieder die Parallele zum wirklichen Florenz: die Mächtigen dort waren nicht gerade Vater ihres Volkes — aber sie wußten die harten Steuern gut anzuwenden, indem sie ihre Stadt meisterlich zu schmücken, Künste und Wissenschaften zu fördern verstanden. Auch Sachsens Kurfürsten, zugleich… (Fortsetzung Seite 7). [Seite] 3

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Artikel: Hecht, Dr. Robert, Indiens Frauenwelt (von Dr. Robert Hecht, unbekannter Autor). Auf der Seite sind zwei Fotografien abgedruckt. Die Bildunterschriften lauten „Prinzessin Seeta Dewis [oder Sita Devi, geb. Renee Smith, indisch-englische Stummfilmschauspielerin, 1912-1983] eine berühmte hindustanische Schönheit“ sowie „Damen der großen hindustanischen Gesellschaft bei einem Gartenfest“. Fotos: unbekannt/unsigniert. [Hecht, Dr. Robert, Indiens Frauenwelt.] Wenn sich in allen Ländern Asiens, die Weltbedeutung besitzen, im legen Jahrzehnt die Frauenbewegung mit einer Schnelligkeit durchsetzen konnte, die vordem ganz unwahrscheinlich erschienen wäre, so ist doch ein riesiges Gebiet von ihr noch ziemlich unberührt geblieben: Indien. China, das Land der dreitausendjährigen Kultur, hat nicht nur viele alte Zöpfe, sondern auch den Frauen die Haare kurz geschnitten und sich mit Temperament den modernen Geistesströmungen anvertraut. Indien aber verharrt mehr oder weniger im alten Zustand und will von einer Änderung der Stellung der Geschlechter wenig wissen. Doch China ist eine Einheit, während Indien an dem Übel sozialer und religiöser Zerrissenheit krankt. Dreihundertfünfzig Millionen Menschen leben in dieser größten englischen Kolonie, die dem Westen, der sie zumeist aus Romanen Daheimgebliebener und aus phantastischen Filmen kennt, als ein Zauberland erscheint. Aber der einzige Zauber Indiens sind seine Wallfahrtsstädte, während das übrige Land, eines der größten Ackerbaugebiete der Erde, von ebenso großer Nüchternheit als Armut ist. Die scharfe religiöse Scheidung der Bewohner in Hindu und Mohammedaner trägt noch mehr zur Trennung der einzelnen Schichten bei als die außerordentliche Sprachzersplitterung, die an hundert Sprachen mit noch mehr Dialekten umspannt. — Redet man bei uns von Indern, so denkt man in der Regel an Hindu, die nach der Zahl an der Spitze der Bevölkerung stehen, doch umfaßt diese religiöse Schichtung noch andere als die indogermanische Hauptbevölkerung, aber eine genaue Aufzählung der Splitterstämme würde zu weit führen. Die Hindu sind in jene bekannten Kasten eingeteilt, die sich, je länger sie bestehen, als ein schwerer Hemmschuh jeder Entwicklung erweisen. Aus dem Umstand, daß diese Kasten verschiedenartigen Wert besitzen, und niemand aus einer niedrigen Kaste in eine höhere aufsteigen kann, ja, daß er bei groben Verstößen seine Kaste einfach verliert und zum Paria wird, ergibt sich die Schwierigkeit, soziale Änderungen in großem Stil vorzunehmen. Auch die Frauen sind gleich den Männern an die Kaste gefesselt und können immer nur von einem Mann aus der gleichen Kaste geheiratet werden. Diese über das ganze Land verbreitete Organisation bringt also keiner Frau die soziale Hebung durch Heirat. Auf die Ausbildung der Mädchen wird wenig Wert gelegt, der Schulunterricht berücksichtigt zuerst die Knaben, da der Hinduismus das absolute Prinzip de[r] Männerherrschaft betont. Die Kinderehe ist immer noch herrschend. In sehr jugendlichem Alter werden die Kinder bereits verheiratet, bleiben aber bis zur Mannbarkeit im Hause ihrer Eltern. Man muß überhaupt bei orientalischen Völkern immer bedenken, daß sie ein so individuelles Leben wie wir nicht kennen, sondern daß die Familie als Gesamtheit die Hauptrolle spielt. Auch die verheirateten Söhne bleiben noch eine Zeitlang im Hause der Eltern, und die Schwiegermutter herrscht über die einzelnen Schwiegertöchter. Es ist strenge Sitte, daß die Witwe nach dem Tode des Mannes nicht mehr heiratet. Durch diese Frühehen ist Indien zum Land der Witwen geworden, deren Lage sehr schlimm ist, weil eine Witwe als Wesen angesehen wird, das die Berechtigung zum Leben verloren hat. Die berüchtigte Witwenverbrennung hat natürlich auch früher nur in kleinem Umfang existiert und kam zumeist in vornehmen Familien vor, wenn die Ehegatten lange Jahre zusammengelebt hatten. Die Mehrzahl der indischen Frauen wird von der Sorge um das tägliche Leben so stark in Anspruch genommen, daß ihr für geistige Dinge, neben den notwendigen religiösen Übungen, keine Zeit mehr übrig bleibt. Erst in Schichten, deren Leben ökonomisch gesichert ist, nehmen die Frauen einige Teilnahme am öffentlichen Leben, besuchen Kinos und zerstreuen sich auf ihre Weise. Immerhin beachten alle eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der Öffentlichkeit. Eine Verschleierung gibt es nicht, aber man wird kaum jemals einer vornehmen Inderin auf der Straße begegnen; das gehört nicht zum guten Ton. Die Häuser der reichen Inder, in die heute auch englische Erzieherinnen kommen, sind von prachtvollen immergrünen Gärten umgeben, mit kühlen Höfen versehen, in die man sich vor der Tagesglut zurückzieht. Die Damen besuchen sich, geben Tees in ihren Gärten, Abendessen, bei denen sie aber streng unter sich bleiben. Diese Besuche gehen ausnahmslos im Wagen vor sich, keine indische Dame würde jemals den Fuß auf die Straße setzen. Es ist in allen Ländern Sitte, daß die von den Damen der ersten Kreise gegebene Lebensführung vorbildlich für andere soziale Schichten ist. Da die vornehmen Inderinnen immer noch das Beispiel der Zurückhaltung geben, so ist das Hervortreten einer Hindufrau an die Öffentlichkeit einfach unmöglich. Die Familie würde es, wenn dieser Wille plötzlich auftauchen sollte, mit allen Mitteln zu verhindern wissen. — Nun brin- … (Schluß Seite 11). [Seite] 4

S. 5

Artikel: Lothar, Erwin, Der Brief (von Erwin Lothar, unbekannter Autor). Die Zeichnung oben links zeigt einen Mann der vor einer Frau kniet. Die Szene spielt sich in einem Wohnraum ab. Zeichnung/Illustration: Ernst Ludwig Kretschmann (1897-1941). [Seite] 5

S. 6

Artikel: Lothar, Erwin, Der Brief (von Erwin Lothar, unbekannter Autor). Die Zeichnung im Zentrum der Seite zeigt eine junge Frau an einem kleinen Damenschreibtisch sitzend. Hinter ihr steht ein Mann mittleren Alters. Eine Glastür zum Balkon des Arbeitszimmers ist vermutlich durch einen Luftzug aufgesprungen. Die Bildunterschrift lautet „Am Schreibtisch, im Mondlicht, saß meine Frau, in ihrem Totenhemd…“. Zeichnung/Illustration: Ernst Ludwig Kretschmann (1897-1941). [Seite] 6

S. 7

Artikel: Lothar, Erwin, Der Brief (von Erwin Lothar, unbekannter Autor); Sell, Anita, Florenz an der Elbe (von Anita Sell, unbekannter Autor). [Sell, Anita, Florenz an der Elbe.] (Schluß) [Fortsetzung von Seite 3] … zeitweise Polens Könige, waren prachtliebende Herren: es paßt zu allem, was wir von August dem Starken wissen, daß er das lebenfroheste Bauwerk Dresdens, den Zwinger, erbauen ließ, genau so wie das „Orgelwettrennen“ zu seinem Sohn und Nachfolger August III. paßt: Meister Sebastian Bach sollte im Dezember 1736 auf der Orgel der Frauenkirche seine Kunst mit der des berühmten Franzosen Marchand messen. Als dieser aber tagszuvor Bach die Orgel erproben hörte, zog er es vor, bei Nacht und Nebel zu verschwinden! Sie waren nicht ganz so reich, nicht ganz so kultiviert wie die Florentiner Medici, die Herrscher Sachsens — aber sie wußten gut zu leben und liebten Kunst und Wissenschaften. Der Anfang der berühmten Gemäldegalerie ist ja ebenfalls auf die beiden Polenkönige auf Sachsens Thron, August II. und III., … [Fortsetzung auf Seite 8]. Werbung: „Laxin —, ja, das ist etwas ganz anderes, das könnte ich jeden Tag nehmen! Laxin schmeckt großartig und nachher ist man wie neugeboren!“ — Kinder haben meist eine heftige Abneigung gegen übelschmeckende Abführmittel. Geben Sie Ihrem Kinde Laxin, dessen angenehmen Fruchtgeschmack alle Kinder lieben und das mild und sicher wirkt, Ihr Kind wird es Ihnen danken durch Gesundheit und Fröhlichkeit. * Die interessante Broschüre über „Laxin“ kostenlos von den Lingner-Werken in Dresden. Laxin. Foto: unbekannt/unsigniert. [Seite] 7

S. 8

Artikel: Sell, Anita, Florenz an der Elbe (von Anita Sell, unbekannter Autor). [Sell, Anita, Florenz an der Elbe.] [Fortsetzung von Seite 7] … zurückzuführen, und des Grafen Brühl Agent, Carlo Giovanni, war es, der um zwanzigtausend Dukaten Raffaels wunderbare Sixtinische Madonna aus dem Kloster San Sisto zu Piacenza nach Dresden entführte, während neun Jahre zuvor aus Venedig mit einem Schlage hundert der kostbarsten Bilder großer italienischer Meister eine Auswahl dieser erhabenen Kunst in Dresden zusammenbrachten, wie sie in Deutschland noch niemals existiert hatte. Man ist vielleicht diesen prachtliebendsten unter den sächsischen Fürsten nicht immer ganz gerecht geworden: von den Medici berichtet die Historie, daß sie nebenbei auch erhebliche merkantile Talente haben sollen — am Ende leitete auch noch ein anderes Gefühl als nur Freude an Pracht und Prunk und Geldausgeben das Handeln der Beherrscher des Florenz an der Elbe? Man berichtet, daß an ihrem Hof ein gewaltiger Zustrom von Fremden aus allen Ländern war; Fremde aber bringen Geld ins Land und nehmen dafür einheimische Erzeugnisse mit, in diesem Falle Erzeugnisse der hochberühmten Meißner Porzellanmanufaktur und des Kunstfleißes sächsischer Spitzenweberinnen. Sicher haben in jener Zeit Dresdens Herbergen und Gasthäuser ebensowenig über Mangel an Gästen zu klagen gehabt wie in unserer Zeit. Und so kann hinter all dem lustig bunten, überschäumenden Festestreiben des Rokoko-Dresdens vielleicht der sehr reale Wunsch gesteckt haben, den Fremdenverkehr anzulocken und zu heben? Dann wäre August der Starke sozusagen der Begründer des Dresdener Fremdenverkehrs gewesen, dieses gewaltigen Zustroms aus aller Herren Länder, der dem heutigen Dresden eine wichtige Erwerbsquelle geworden ist! Dresden als Fremdenstadt — das ist ein Kapitel für sich: es gibt Ausländer, die auf den Besuch der Reichshauptstadt verzichten, aber keinesfalls an Dresden vorüberfahren, es gibt wiederum Ausländer, die hier Wochen und Monate, ganze Jahre verbringen, um insbesondere musikalische Studien zu treiben. Auch das ist Augusteische Erbschaft: Musik ist Dresdens Seele gewesen, Musik der Töne, wie sie aus der prachtvollen Dresdener Oper noch heute achtunggebietend in die Welt hinaus erklingt und von den Kirchenkapellmeistern der Hofkirche geschaffen wurde: in ihrer Reihe erklingen Namen wie Weber, Marschner und Wagner! Musik aber auch des Wortes, das ein Körner und ein Schiller, eng der Familie des Freiheitsdichters verbunden, im Loschwitzer Gartenhäuschen formten. Ja, es steckt edelste Kunsttradition in dieser Elbstadt und darum wiederum: sie ist das deutsche Florenz! Auch dort vergaß man aber niemals über der Königin Kunst die Nährmütter Industrie und Handel: nächst Hamburg ist Dresden der bedeutendste Umschlageplatz an der Elbe und in seinem Alberthafen herrscht reges Treiben. Gleichzeitig aber — und das darf man über all der heiteren Schönheit der Stadt nicht vergessen, will man ihre Bedeutung voll würdigen — ist sie eine sehr bedeutsame Industriestadt: Zigarretten- und Schockoladenindustrie [sic!] haben hier ihre wichtigsten Zentren in ganz Deutschland, daneben Strohflechterei, Kunstblumen- und Federschmuckherstellung. (Paßt es nicht eigentlich ganz hervorragend zum Charakter der Stadt, daß gerade diese, dem heiteren Lebensgenuß dienenden Industrien hier ihren Hauptsitz haben?) Auch dadurch wieder wird ein reicher Fremdenstrom nach Dresden gezogen und mehrt das internationale Bild des großstädtischen Lebens auf seinen breiten schönen Straßen. Wenn aber im Sommer der Strom der Reisenden nach der herrlichen sächsischen Schweiz und den böhmischen Heilbädern drängt, dann hat Dresden noch einen starken Magneten, ihn zu mindestens kurzem Verweilen zu bringen: die „Jahresschau Deutscher Arbeit“! Seit sechs Jahren findet sie allsommerlich im Großen Garten, diesem vorbildlich schönen Riesenpark, statt, der so groß ist, daß selbst die gewaltige Ausdehnung der Ausstellung nur einen Teil davon beansprucht. Es ist ein hübscher Kontrast, wenn man zuerst in der stillen Dämmerung des Grünen Gewölbes im Schloß die oft bizarren Kunstwerke vergangener Zeit betrachtet hat, Spielereien, wie sie einst Fürsten in der Kunstkammer sammelten, und dann hinauswandert zur Schau des Jahres 1928: sie steht im Dienst der Technik, jener gewaltigen Kraft, die unser Leben regiert und ungeheure Gewalten dem menschlichen Geist untertan machte. Und das ist mehr als jenes wirkliche Florenz heute von sich sagen kann: in Dresden lebt nicht hohe Vergangenheit neben Alltagsgegenwart, sondern starkes, deutsches Leben und Streben im Rahmen echter Lebensfreude! Hohe Kunst, lebendigstes Schaffen der lebendigsten Jetztzeit und eine zauberhaft schöne Landschaft — drei Magnete ziehen den Wanderer gen Dresden und fesseln ihn an dies deutsche Florenz mit köstlicher Kraft. Man denkt immer wieder mit Sehnsucht dahin zurück, lernte man es einmal kennen! Werbung: Da steht es ganz genau, Herr Lehmann… wie Sie den Teerfleck aus Ihren gelben Chevreaux-Schuhen herauskriegen! Nur in: 1000 Ratschläge für die Hausfrau finden Sie Hilfe und Auswege in allen Verlegenheiten… Erhältlich zum Preise von RM 1.80, Porto 20 Pfennig in allen Lyon-Filialen, Buchhandlungen, Wertheim-Warenhäusern und vom VERLAG GUSTAV LYON, BERLIN SO 16. Zeichnung/Illustration: „BOHT“ (Hans Boht, 1897-1977). [Seite] 8

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